Julia Bachler – Datenbank für soziales Empowerment

Julia Bachler, Gründerin und Direktorin von Use Potential

Use Potential – Soziales Empowerment durch eine Datenbank der Fähigkeiten von Flüchtlingen

Das von der Social Entrepreneur Julia Bachler initiierte Projekt „Use Potential“ versucht Fähigkeiten und Wissen von Flüchtlingen in einer Datenbank zu sammeln. So soll diesen die Möglichkeit geboten werden, ihr neues Umfeld aktiv mitzugestalten. Dadurch bekommen sie aber auch ein Stück Unabhängigkeit und Würde zurück.

Krieg und Terror haben zu den größten Flüchtlingsbewegungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geführt. Eine schwierige Herausforderung globalen Ausmaßes ist entstanden. Haben es die Flüchtenden in eine sichere Unterbringung geschafft, beginnt für sie eine Zeit der Unsicherheit und des Wartens. Für viele ist diese unsichere Situation keine kurze Periode. Es dauert oft Jahre, sogar Jahrzehnte bis ihr rechtlicher Status geklärt ist. Asylsuchenden ist es in dieser Zeit meist nicht erlaubt, zu arbeiten und auch sonst sind die Möglichkeit sich einzubringen sehr begrenzt.
Julia Bachler versucht mit ihrem Projekt „Use Potential“ bei diesem Problem anzusetzen. Die gebürtige Österreicherin absolvierte in Schweden ihren Master of Medical Science in Epidemiologie. Nun betätigt sie sich als Social Entrepreneur und hat sich intensiv der Flüchtlingskrise zugewandt. Nach einer langen Phase der Recherche und Aufenthalten in Jordanien und im Libanon, um sich vor Ort ein Bild von der Situation der Flüchtlinge zu machen, initiierte sie „Use Potential“. Das vom T-Mobile Umwelt- und Nachhaltigkeitsfonds (TUN) geförderte Projekt erhielt 2015 den Social Impact Award.
Inspiration für ihren kreativen Lösungsansatz fand sie in Doris Lessings Roman „Die Geschichte von General Dann“. Darin wird jedem bei der Ankunft im Flüchtlingslager die Frage gestellt: „Was ist das Wichtigste, das du kannst?“
Genau das ist auch das Grundkonzept von „Use Potential“: Jeder kann etwas zur Gemeinschaft beitragen. Eine der Fragen bei der Flüchtlingsregistrierung sollte deshalb lauten: „What can you offer to your community?“

„The opportunities are endless. Just like people’s ideas.”

Die bei der Registrierung genannten Fähigkeiten, Wissensbestände, Interessen und Erfahrungen sollen in einer Datenbank verzeichnet und später lokalen NGOs und kommunalen Einrichtungen, die Flüchtlinge betreuen, zur Verfügung gestellt werden. Diese wissen, welche Bedürfnisse es vor Ort gibt und können dann Flüchtlinge einladen, sich an der Organisation und Gestaltung ihres neuen Umfeldes zu beteiligen. Das ermöglicht den sonst oft zum Nichtstun verurteilten Asylsuchenden Teilhabe am kommunalen Leben. Sie können an der Gemeinschaft partizipieren und sich einbringen. Dadurch bekommen sie ein Stück ihrer Unabhängigkeit und Würde zurück und fühlen sich verantwortlich für ihre Umgebung. Durch diesen inklusiven Ansatz können nicht nur sonst brachliegende Ressourcen genutzt, sondern auch der soziale Zusammenhalt gefestigt werden.

Zaataria, ein Flüchtlingslager in Jordanien an der syrischen Grenzen

Partizipation als Weg zu Selbstbestimmung und Autonomie

Flüchtlingslager sind meist durch eine extreme Heterogenität der dort Untergebrachten gekennzeichnet. Es handelt sich dabei nicht zwangsläufig um eine repräsentative Abbildung der Bevölkerung des Ursprungslandes. Die geographischen, sozialen und ökonomischen Hintergründe der Einzelnen sind oft extrem verschieden. Das trifft demnach auch auf ihre Ausbildung, ihr Wissen, ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zu. „Use Potential“ sieht genau diese Vielfalt als große Chance und hat ein genaues Prozedere für die Erstellung einer Skills-Datenbank und deren Nutzbarmachung entwickelt.
Bei der Registrierung, wie sie bereits vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) durchgeführt wird, soll zukünftig auch die Frage gestellt werden, was die wichtigste Fähigkeit bzw. das bedeutendste Wissen jedes/jeder Einzelnen ist. Menschen, die sich unsicher sind, werden ermutigt zumindest eine Tätigkeit zu nennen, bei deren Ausführung sie sich wohl fühlen. Auch die Mobiltelefonnummer wird abgefragt.
Die gesammelten Informationen werden an NGOs und andere Institutionen weitergegeben, die mit der Betreuung von Asylwerber_innen betraut sind bzw. in deren Nähe sich eine Flüchtlingsunterbringung befindet. Die jeweiligen Fähigkeiten der dort untergebrachten Flüchtlinge werden ausgewertet und mögliche Freiwilligengruppen geplant. Durch Textnachrichten und Sprachmitteilungen werden dann geeignete Bewohner_innen der Flüchtlingseinrichtung eingeladen, mit ihrem Wissen, Können oder ihrer Expertise an lokalen Projekten mitzuwirken und sich einzubringen.
Die passive Rolle von Wartenden entmutigt, stresst und wird auch als Dehumanisierung wahrgenommen. Gibt man Menschen die Möglichkeit ihr individuelles Können einzubringen, erkennt man sie als vollwertiges Individuum an. Menschen, die gezwungen wurden zu fliehen und ihre Heimat zu verlassen, wollen sich in ihrem neuen Umfeld engagieren, es mitgestalten. Das führt zu einem besseren, friedlicheren und kooperativen Zusammenleben.
Der Empowerment-Ansatz von „Use Potential“ ermöglicht Selbstbestimmung und Autonomie, steigert das Verantwortungsbewusstsein und erhöht letztendlich auch die Sicherheit. Zusätzlich bietet es Ausbildung und Weiterbildung für jene, die in Zukunft
zurückkehren und ihre Heimatländer wiederaufbauen wollen.
Auch könnte der Sozial- und Integrationsbereich seine ökonomischen Mittel effizienter einsetzen, wenn auf ohnehin vorhandene Fähigkeiten bei den Flüchtlingen zurückgegriffen wird.
Im Vordergrund steht dabei stets Mitgefühl für Menschen, die gezwungen wurden, ihr Heim und ihre Heimat zu verlassen. Diesen Flüchtenden mit vollstem Respekt und Empathie zu begegnen, ist für „Use Potential“ eine grundlegende menschliche Verantwortung.

Julia Bachler
Gründerin & Direktorin
Use Potential
www.jbachler.wixsite.com