CROSSING EUROPE ’21: Was hält uns in der Gegenwart?

(c) "Mila" Christos Nikou

Cat Woman trifft Astronaut: Was passiert, wenn man mitten in der Pandemie verschwindet und von keinem vermisst wird? Die Filmgroteske  „Mila. Apples“ von Christos Nikou erzählt dies beim Linzer Filmfestival.

Zur Eröffnung sind u. a. Maria Schraders Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Ich bin dein Mensch“, die Dokumentation „The Wire“ über die Balkan-Route und in der Sektion Local Artists „Surviving Gusen“ über die Region rund um das ehemalige KZ in Oberösterreich zu sehen.

Politisch – Dokumentarisches im Brennpunkt: Daniel Sagers Doku „Hinter den Schlagzeilen“ über die Investigativ – Abteilung der „Süddeutschen Zeitung“ wird gezeigt. Filmische Porträts widmen sich etwa Michail Gorbatschow, der Künstlerin Marina Abramovic und der deutschen Avantgardefilmerin Ulrike Ottinger.

In der Sektion European Panorama Documentary kommt unter anderem „Alltid Amber“, ein Film über Geschlechterneutralität auf die Leinwand. Helena Třeštíková – mit ihren Filmen seit vielen Jahren Stammgast bei Crossing Europe – legt mit „Anny“ eine weitere faszinierende Langzeitbeobachtung vor, in der ein individuelles Schicksal mit soziopolitischen Entwicklungen in Tschechien verknüpft wird. 

Competition Fiction zeigt mit „Dasatskisi“ ein bildgewaltiges Kinodebüt über das Leben einer Zeugin Jehovas. „Mila“ könnte aktueller nicht sein: eine rätselhafte Pandemie hat Teile der Menscheit befallen, Regisseur Christos Nikou begleitet die Geschichte mit lakonischem Humor.  



Welche Veränderungen kommen auf uns zu? Das CROSSING EUROPE Filmfestival zeigt Filme des Wandels. 

„Kooperationen und Allianzen entstehen dort, wo Vorstellungen geteilt werden. Das hat immer etwas mit Begeisterung zu tun“, ist Christine Dollhofer, Intendantin des CROSSING EUROPE, überzeugt.  

Einen utopischen Blick auf Gemeinschaft als Konstruktion von vielen wirft die Programmsektion Architektur und Gesellschaft. Kuratorin Lotte Schreiber hat Dokumentarfilme ausgewählt, die sich mit Modellen von Gemeinschaft in Europa beschäftigen. Wie sie gelebt werden kann, sogar über den Tod hinaus. Der preisgekrönte Film DEALING WITH DEATH ist eine Reise durch die Religionsgemeinschaften im Amsterdamer Vorort Bijlmeer. Je mehr Begräbnisrituale die Protagonistin Anita kennenlernt, umso größer ihr Zweifel an der Vision ein multikonfessionelles Bestattungsunternehmen zu gründen. An die persönliche Schmerzgrenze die eigene Utopie zu leben, geht der norwegische Regisseur Erlend E. Mo. „A JOURNEY TO UTOPIA ist eine utopische Reise; eine Pionierarbeit nicht nur im filmischen, sondern auch Sinne des Klimawandels: Was heißt es, ein ganzes Dorf ökologische aufzubauen und auszurichten“, so Dollhofer. In WEM GEHÖRT MEIN DORF begleitet Regisseur Christoph Eder in seinem Heimatdorf eine Bürgerinitiative, die sich für die Kommunalwahlen aufstellen lässt. Zu viel ist zu viel: ein Investor plant auf der Ostseeinsel Rügen ein Bauprojekt inmitten des Naturschutzgebietes. 

Die Lebensrealitäten der Jungen 

„Es wird nie mehr so wie früher“, sagt Lea Haslmaier. Als YAAAS! Young Programmer kuratierte sie mit anderen Jugendlichen die Jugendschiene. Dabei ist sie sich sicher, aus der Pandemie lernen zu können. Was? Auf alle Fälle, dass Amazon Prime dann doch nicht das Kino ersetzen könne. Bequeme Couch, hin oder her. „Es beginnt beim gemeinsamen Hingehen ins Kino, über die Aufregung sich über den Film auszutauschen“, meint Haslmaier. Im YAAAS! Wettbewerb stehen sechs aktuelle Langspielfilme in Konkurrenz um den mit 3.000 Euro dotierten Preis. Jeder Film zeichnet ein ganz anderes Bild einer Lebensrealität von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Sechs Spielfilme, sechs Lebensrealitäten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Themen gegenwärtig: sexuelle Belästigung in FORCE OF HABIT, der enorme Leistungsdruck einer jungen Skirennläuferin in SLALOM, die Suche nach den Wurzeln und der Ausbruch aus dem kindlichen Kokon in RÄUBERHÄNDE. Begeistert haben die Young Programmers die visuell starken Leistungen und die freien Erzählstile. 

Beim Ausnahmezustand, den die Festivalintendantin 2020 mit dem Transfer des Festivals in den digitalen Raum ausrief, soll es bleiben. „Wir haben die Situation gut gemeistert. Online kann aber immer nur ein zusätzliches, inklusives Angebot für Menschen sein, die ansonsten nicht ins Kino kommen können. Der Festivalspirit lebt davon, gesellschaftspolitische Themen innerhalb Europas und künstlerisch neue Stimmen in die Kinos, zum Publikum vor Ort zu bringen! Die Sehnsucht aller nach dem Gesamtpaket ‚Kino‘ ist groß. Unsere Branche lebt vom persönlichen Austausch in informellen Situationen, vom davor und danach, nach dem gemeinsamen Kinoerlebnis. Es ist das Zwischenmenschliche. Wir sind alle keine Roboter.“ 



Auswahl aus dem Programm:

Hinter den Schlagzeilen, Daniel Sager, Deutschland 2021, ‘90
03.06. + 06.06.2021 

Gorbachev. Heaven, Vitaly Mansky, Lettland / Tschechien 2020, ‘100 
01.06. + 05.06.2021

Homecoming. Marina Abramovic and her children. Boris Miljković, Serbien 2020, ‘84
02.06. + 06.06.2021

Paris Calligrammes. Ulrike Ottinger. Deutschland / Frankreich 2019. ‘129 
04.06.2021

Ich bin dein Mensch, Maria Schrader, Deutschland 2021, ‘104 
01.06. + 06.06.2021

Alltid Amber, Lia Hietala, Hannah Reinikainen, Schweden 2020, ‘76
05.06.2021


Anny, Helena Třeštíková, Tschechien 2020, ’66 
03.06. + 05.06.2021


Dasatskisi, Dea Kulumbegashvili, Georgien / Frankreich 2020, ‘125
02.06. + 04.06.2021


Mila, Christos Nikou, Griechenland/Polen/Slowenien, ‘90
03.06. + 04.06.2021


The Wire, Tiha K. Gudac, Belgien/Kroatien/Norwegen/Slowenien/Litauen 2021, ‘77
01.06. + 03.06.2021


Surviving Gusen, Gerald Harringer, Johannes Pröll, Österreich 2021, ‘68
01.06. + 06.06.2021

Das gesamte Programm gibt’s online.

CROSSING EUROPE Filmfestival 
01. – 06.06.2021 
www.crossingeurope.at