Philosophicum Lech 2022 / Lech am Arlberg, Vorarlberg

Philosophicum Lech 2022. Foto: © Florian Lechner / Philosophicum Lech
Philosophicum Lech 2022. Foto: © Florian Lechner / Philosophicum Lech

20.09. – 25.09.2022

Was ist Hass? Worin liegt seine zerstörerische Kraft? Und warum lässt er sich so leicht schüren? Das diesjährige Philosophicum Lech untersucht die Anatomie des Hasses.

Die Philosophin Barbara Zehnpfennig vergleicht drei große ideologische Systeme miteinander; Den Nationalsozialismus, den Islamismus und den Marxismus. Sie kommt zu dem Schluss: Die stärkste Triebkraft für alle großen Ideologien ist der Hass. Das Wesenhafte jeder Ideologie ist es, dass sie von einer Grundprämisse ausgeht, die nicht mehr zu hinterfragen ist: Das „arische Volk“ ist zur Weltherrschaft bestimmt. Ungläubige müssen bekämpft werden. Kapitalismus ist Ausbeutung. Der verdorbenen, bedrohlichen Welt in der Gegenwart, die es zu vernichten und zu überwinden gilt, wird die umfassende Heilserzählung entweder einer glorreichen Vergangenheit, in der die Welt noch in Ordnung gewesen sei oder einer glückbringenden Zukunft, in der sie das sein würde, gegenübergestellt. Davon wird alles Weitere abgeleitet. Alles was nicht in dieses Schema passt, wird passend gemacht oder muss zerstört werden.

Um die nötige revolutionäre Zerstörungskraft zur Verwirklichung dieser Glücksversprechen freizusetzen, benötigen Ideologien zur Mobilisierung der Massen die stärkste Triebkraft, die den Menschen völlig ergreift: Den Hass.

Während die großen Ideologien die wir heute diskutieren noch den Anspruch erheben, ein umfassendes Welterklärungsmodell anbieten zu wollen und zu können, fällt dieser holistische Aspekt bei den hassgetriebenen Massenmobilisierungen des Social-Media-Zeitalters weitgehend weg. Der Sturm aufs Kapitol, die Massendemonstrationen der Corona-Massnahmen-Gegner, die hasserfüllten Hetzjagden gegen Einzelne in den Sozialen Medien kommen weitgehend ohne eine umfassend ideologisch ausformulierte Vision aus. Sie beziehen ihre Kraft lediglich aus der Abgrenzung an sich in der eine komplexe, nicht mehr verständliche „feindliche“ Welt generalisierend als bösartig, bedrohlich, von „geheimen Mächten“ auf „verschwörerische Weise gelenkt“ dargestellt wird, gegen die man sich zur Wehr setzen müsse. Eine revolutionär herbeizuführender, ideologisch ausformulierte Heilserklärung der Welt wird gar nicht mehr benötigt und auch nicht mehr angeboten.

Die Kraft dieses Hasses entspringt dem Ohnmachtsgefühl der Einzelnen, die sich generalisierend als Opfer der gegenwärtigen Verhältnisse empfinden.

Diese Ohnmacht wird als umso größer empfunden, je unverständlicher die Welt ist, die einen umgibt. Deshalb setzen Populisten wie Trump, Bolsonaro, Farrage oder Kickl auch auf maximalen Lärm und Erzeugung von maximaler Verwirrung, sowie die Diskreditierung und Delegitimierung von Wissenschaft und Medien, weil sie genau jenen Zustand der ohnmächtigen Verwirrung bei den Massen schüren wollen, in der die Welt auf rationale Weise nicht mehr verständlich scheint. Das erst ist die Grundlage dafür, um in weiterer Folge die Massen aufzuhetzen und den Hass zu entzünden: Der Sturm auf das Kapitol war ein Resultat der Wissens- und Bildungsdelegitimation. Das Philosophicum in Lech ist ein homöopathisches Gegenmittel.

Philosophicum Lech 2022
20.09. – 25.09.2022
Various locations, Lech am Arlberg
www.philosophicum.com