Martin Hollinetz – Initiator Offener Technologielabore

Martin Hollinetz, Gründer des Offenen Technologielabors Otelo

Otelo – Offene Technologielabors als Zukunftsknotenpunkte des ländlichen Raums

Um den Abzug junger Kreativer aus den ländlichen Regionen aufzuhalten, kam Martin Hollinetz eine Idee: Die Gründung eines Offenen Technologielabors, das allen zugänglich ist, und zum Teilen von Erfahrungen, Ideen und Wissen einlädt.

Während Städte nach wie vor einen enormen Bevölkerungszuwachs verzeichnen, kämpfen ländliche Regionen mit dem Gegenteil: Die jungen Menschen zieht es in die urbanen Zentren und die Bevölkerung vor Ort veraltet zunehmend. Das führt dazu, dass Innovationen sich in diesen Gebieten schwer durchsetzen, und meist veraltete Strukturen aufrechterhalten werden. Abwanderung und fehlende Perspektiven sind die Probleme, mit denen die ländlichen Regionen und Kommunen zu kämpfen haben. Kreativen und innovativen Köpfen fehlt der Anreiz, in ihrer Heimatregion zu bleiben. In den Städten stehen bessere Netzwerke zur Verfügung, um neue Ideen zu entwickeln und umzusetzen.
Martin Hollinetz zog es selbst von seiner Heimatgemeinde in die Stadt. Als er als Chef des Regionalmanagements der Region Vöcklabruck/Gmunden aufs Land zurückkehrte, stellte er 2008 fest, dass die Regionalentwicklung und Kreativwirtschaft in ländlichen Gebieten gestärkt werden muss. Es ging ihm darum, Räume zu schaffen, in denen sich Kreative entfalten können und Netzwerke generieren, die sonst nur in Städten anzutreffen sind.
Otelo war geboren. Die Abkürzung „Otelo“ steht für Offenes Technologielabor. Die Gemeinden stellen ungenutzte und leerstehende Räumlichkeiten zur Verfügung, damit sich so genannte Nodes treffen und Ideen austauschen können. Ein Node ist eine Kleingruppe von mind. fünf Personen, die gemeinsam an einem Projekt bzw. in einem Betätigungsfeld arbeitet.

Otelo lebt eine experimentierfreudige Innovationskultur

Hollinetz initiierte damit eine neue, lokale Innovationskultur. Ausgehend von Gmunden und Vöcklabruck entwickelte sich ein Netzwerk, das längst über Oberösterreich und auch Österreich hinausgeht. Insgesamt gibt es 22 Standorte in Oberösterreich, Niederösterreich, Kärnten, Deutschland, Italien und Spanien. Diese Kooperation zwischen Kommunen und zivilgesellschaftlich aktiven Gruppen hat auch für andere Regionen Europas Vorbildfunktion. Sogar im US-amerikanischen Detroit gibt es bereits Pläne für ein Otelo. Die einzelnen Otelos sind selbstorganisiert, unabhängig und werden ehrenamtlich betreut. Für das Gesamthosting eines Otelos ist der Vereinsvorstand, also das Standortteam, verantwortlich – sowohl organisatorisch als auch atmosphärisch. Alles ist hier möglich, solange es der Werte- Charta – einem lebendigen Übereinstimmungskanon – entspricht, die vereinfacht gesagt, zum Teilen und Mittun aufruft.
Der Mehrwert von Otelo ist, dass es einen einfachen Zugang zu den unterschiedlichsten Anwendungsfeldern wie Naturwissenschaft, Technik, Medien, Kunst oder Landwirtschaft ermöglicht, und dass die einzelnen Mitglieder hier Unterstützung bei der Entwicklung ihrer Ideen, aber auch bei der Planung und Durchführung ihrer Projekte finden. Daraus entstehen ungewöhnliche Projekte wie die Mobile Human Powerstation (Mohups), hier wird jene Energie genutzt, die entsteht, wenn sich Menschen im Fitnessstudio richtig auspowern. Es werden dabei Generatoren an Fahrräder montiert und nur wenn genügend Menschen richtig strampeln, ist genug Strom vorhanden, um zum Beispiel ein Konzert stattfinden zu lassen.
Bildungsprojekte wie „KET – Kinder erleben Technik“ versuchen wiederum, das Interesse an technischen Berufen bereits im Volksschulalter zu fördern. Diverse Kooperationen mit gesellschaftlichen Systemen wie Bildung, Politik oder Wirtschaft bewirken, dass die Innovationen aus den Otelos der Gesamtbevölkerung zugutekommen. Ein Beispiel dafür sind die 3D-Drucklabore, die an Schulen in Oberösterreich eingerichtet wurden und von allen genutzt werden können – nicht nur von den Schüler_innen.
Das Otelo-Netzwerk schafft den idealen Nährboden, um neue Kontakte zu knüpfen, woraus sich wiederum auch erfolgreiche Geschäftsbeziehungen entwickeln können. Beispielhaft dafür stehen die 3D-Druck-Start-ups Evo-tech von Markus Kaltenbrunner und RepRap Austria von Benjamin Krux. Markus Kaltenbrunner von Evo-tech baute seinen ersten 3D-Drucker im Otelo Vöcklabruck und lernte auch seine späteren Geschäftspartner über das Otelo-Netzwerk kennen.
Jedem/Jeder steht der Zugang offen und ohne durch institutionelle Zwänge eingeschränkt zu werden, kann man hier interessanten Aktivitäten vom Kochen über Fahrrad-Reparaturen und Elektronikbasteln bis eben hin zu 3D-Drucken oder einem Virtual Reality Lab nachgehen. Hier wird Inklusion gelebt und weitergedacht, denn auch soziale Randgruppen finden hier einen Ort, an dem sie sich einbringen und ihren Interessen nachgehen können.

Mobile Human Powerstation Mohups

Innovation braucht die Neuadaption bestehender Strukturen

Die Otelos adaptieren die Denk- und Arbeitsweise der Kreativwirtschaft, um innerhalb einer Region Potenziale auszuschöpfen und gemeinsam Neues zu schaffen. Mittlerweile hat sich daraus auch die Otelo eGen, die erste Beschäftigungsgenossenschaft in Österreich, entwickelt. Die hier miteinander verbundenen Personen und Vereine experimentieren seit Anfang 2014 mit neuen Formen von Arbeiten und Wirtschaften, und versuchen im Kollektiv durch den Austausch von Wissen und Ressourcen, ihr Auskommen in den Bereichen Regionalentwicklung, Beratung, Medienarbeit, neue Technologien und Bildung zu finden. Alle Mitglieder sind angestellt, wodurch niemand das Risiko allein trägt und man dennoch selbstständig agieren kann. Jedes Mitglied bekommt ein Fixgehalt ausgezahlt, wer mehr verdient, bekommt anstelle von Geld mehr Freizeit. Eines der aktuell laufenden Projekte des Otelo eGens ist „Das Erkenntnisspiel“, das sich in der mixed reality bewegt. Hierbei wird durch den Einsatz von Virtual Reality-Brillen die Grenze zwischen Realität und Fiktion beinahe aufgehoben und bei den Nutzer_innen ein Reflexionsprozess abgerufen, bei dem sie ihr eigenes Medienverhalten hinterfragen. Dieses Projekt läuft im Rahmen von „Innovatives OÖ 2020“ und wird in Kooperation mit Ars Electronica und dem Land OÖ/ Abteilung Gesundheit umgesetzt.
Von den unterschiedlichen Otelos und ihren Projekten gehen neue Impulse für die Regionen aus, die als Hebel für gesellschaftliche Veränderungsprozesse fungieren. Die ländlichen Gebiete werden für junge Menschen attraktiver, die ihre innovativen Ideen nicht mehr in die Ballungszentren tragen müssen, sondern auch in ihrer Region Entfaltungsmöglichkeiten und Anlaufstellen zum Experimentieren finden.

Martin Hollinetz
Initiator Otelo – Offenes Technologielabor & Otelo eGen
www.otelo.or.at
www.oteloegen.at