„Walk of Modern Art“ / Salzburg

„Ziffern im Wald“: Zahleniglu zwischen Maßlosigkeit und ästhetischer Vollendung von Mario Merz.

Fibonacci Integrated. Salzburgs Kunst im öffentlichen Raum als Zahlenreihe.

Sicherheitsabstand, der für neue Perspektiven sorgt: Abseits von geführten Touren und touristischem Gedränge lassen sich die Kunstwerke des Walk of Modern Art auch gut alleine, bei privaten Spaziergängen genießen.

Das Wachstum einer Kaninchenpopulation hat der mittelalterliche Mathematiker Leonardo Fibonacci mit einer Zahlenreihe beschrieben, die sich ergibt, wenn man zur nächstfolgenden Zahl die jeweils vorangegangene addiert. Bereits nach 50 Additionsvorgängen ist man bei der Zahl 20.365.011.074 angelangt. Die „Fibonacci-Folge“ bildet eine wichtige Grundlage für den Goldenen Schnitt, der nicht zuletzt durch Leonardo da Vincis Proportionsstudien zum „Vitruvianischem Menschen“ zum kulturellen Allgemeingut geworden ist: Maßlosigkeit und ästhetische Vollendung in einer gemeinsamen Formel vereint.

Als Mario Merz (+), einer der wichtigsten Vertreter der „Arte Povera“, vor einigen Jahren von der Salzburg Foundation beauftragt wurde, ein Kunstprojekt im öffentlichen Raum zu realisieren, nahm er die Fibonacci- Folge zum Ausgangspunkt für seine Installation „Ziffern im Wald“ auf dem Salzburger Mönchsberg. Sie schien ihm wohl nicht zufällig die geeignete Ausgangsbasis für seine Arbeit in Salzburg. Merz´ Arbeiten verpacken politische Botschaften oft in Rätsel, die dazu auffordern, die aufgeworfenen Fragen selbst weiter zu erkunden. Der engagierte Antifaschist verstand es dabei stets, die Widersprüchlichkeiten von Lebens- und Arbeitswelten, Empfindung und Rationalität auf symbolhafte Weise miteinander zu vernetzen.

Für Merz´ Arbeit auf dem Salzburger Mönchsberg gilt ähnliches, wie für eine Reihe weiterer Projekte, die die Salzburg Foundation in den vergangenen Jahren in Salzburg umgesetzt hat: Die Themen, die sie behandeln, waren den dringlichen Fragen der Zeit oft um einige Jahre voraus. „Ziffern im Wald“ ist eine offene igluartige Konstruktion. Sie skizziert einen Raum der Geborgenheit, der doch keinen Schutz bietet und wirft mit den Zahlen der Fibonacci-Folge Fragen nach Herausforderungen für die Gesellschaften der Zukunft mit ihren unterschiedlichen fortpflanzenden Kräften auf.

Erinnerungskultur im öffentlichen Raum: „Beyond Recall“ von Brigitte Kowanz.

Auch Anselm Kiefers Installation A.E.I.O.U. im Furtwängler Park gleich gegenüber dem Festspielhaus ist ein Beispiel dafür, wie Kunst im öffentlichen Raum vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation wieder neue Aktualität gewinnen kann: Ausgangspunkt für die in einem kubischen Pavillon untergebrachte Arbeit ist eine Strophe aus dem Gedicht „Das Spiel ist aus“ von Ingeborg Bachmann: „Wach im Zigeunerlager und wach im Wüstenzelt es rinnt uns der Sand aus den Haaren, dein und mein Alter und das Alter der Welt misst man nicht nach den Jahren“. Zigeunerlager und Wüstenzelt sind Sprachbilder für das Nomadisierende unserer Existenz. Für Kiefer ein Thema, das gerade die Stadt Salzburg angeht.

Der 15 Meter hohe Stuhl ohne Sitzfläche von Marina Abramovic bei der Staatsbrücke oder die ausdruckslos-undurchdringlichen Figuren von Stephan Balkenhol am Kapitelplatz und im Toscaninihof, die nichts von sich preiszugeben scheinen, haben in das Zentrum von Salzburg mit zahlreichen weiteren von der Salzburg Foundation über die Jahre hinweg realisierten Kunstprojekten im öffentlichen Raum eine neue Ebene eingezogen, die den Besuchern und Menschen der Stadt einen hochaktuellen kritischen Spiegel vor Augen halten. Wenn man bereit ist, hin zu sehen.

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