Die Sommerszene Salzburg begibt sich auf ein hartes Pflaster.
Rhythmus und Rausch: Die Performance Gruppe CieLaroque integriert das Publikum in einen „moving organism“
Die Sommerszene widmet sich als Peforming Arts Festival Sprüngen – zwischen Zeiten und Räumen, 30.000 Mal in die Luft und vor Freude.
„Fragen der Verteilungsgerechtigkeit im öffentlichen Raum sind Teil einer Diskussion, die erst ganz am Anfang steht. Ausgeblendet für Jahrzehnte hat das vergangene Jahr zu einer Sensibilisierung beigetragen, die ein Umdenken des Stadtraums notwendig macht: Wo kann, was, wie stattfinden“, so Angela Glechner, die künstlerische Leiterin der Sommerszene. Ihre Vision sieht ganzjährig sichtbare Kunstprojekte im öffentlichen Raum vor, ein stärkeres Miteinander und mehr an solidarischem Teilen von Räumen und Plätzen. „Gerade in einer kleinen Stadt wie Salzburg braucht es grüne Akzente, ein Weg vom intensiven Verkehr, einen erkennbaren politischen Willen. Es ist der richtige Moment, sich etwas zu trauen“.
Wie Salzburg 2050 aussieht, davon erzählen ZeitzeugInnen aus der Zukunft im auditiven Spiel “über.morgen”. Es führt 25 BesucherIn- nen durch eine Utopie eines gerechteren Zusammenlebens zu Themen wie die Post- Arbeitsgesellschaft, das bedingungslose Grundeinkommen, städtische Mobilität, lokale demokratische Teilhabe und verortet sie in der Stadt. Für theaternyx*, die Kollabo- ration von Claudia Seigmann und Markus Zett, ist der Audiowalk ein Utopietraining: „Um Zukunft zu denken, brauchen wir die Vorstellungskraft dafür, dass es auch ganz anders sein könnte“.
Als „die Entdeckung des Jahres“ bezeichnet Glechner die Choreographinnen Tanja Dinter und Lisa Lengheimer, die seit 2008 als salon emmer auftreten. JUMP! nennt sich die Choreographie, in der sie zusammen mit 15 tanzwütigen SalzburgerInnen am Bahnhofsvorplatz mit 120 Beats pro Minute „herum“springen. Es ist die leidenschaftliche Aufforderung, die auferlegte, körperliche Passivität hinter sich zu lassen und der Entfremdung von Körper und Umwelt entgegenzuwirken. „Eine Choreografie, an der man nicht vorbeikommt.“, so Glechner, „Es geht um Gemeinsamkeit, Lebensfreude und das Positive, das wir teilen. Gerade jetzt brauchen wir das. Kunst darf spannend und lustvoll sein.“ Die Bewegung im Außenraum auch außerhalb der Altstadt war dem Performing Arts Festival schon immer eigen. Verkehrt hat die Pandemie nur das Verhältnis von Indoor zu Outdoor, international zu national – zum Vorteil der lokalen Szene und des Außenraumes.
Eine maßgebende Stimme der Choreografie- Szene in Salzburg mit internationalem Ruf ist Helene Weinzierl. Bereits 2020 wollte die Salzburgerin die Skulpturenterrasse des Museums der Moderne mit Rhythmus und Rausch den direkten und konkreten Dialog zwischen TänzerInnen und Publikum her- stellen. In der neuen Performance, die sich zu einem „moving organism“ zusammen- schließen soll, verschwinden die Grenze zwischen TänzerInnen, BesucherInnen und öffentlichem Raum. Angesiedelt zwischen Neue Medien, Animation und Sozialkritik fragt das Künstlerkollektiv gold extra: Was wäre, wenn die Grenzen, die uns umgeben, die Konventionen, Regeln, Staatsgrenzen, nicht Trennlinien, sondern Verbindungen sind? In BORDER GRID erwartet das Publikum ein interaktiv konzipierter Rätsel- und Erlebnisraum aus hochauflösenden Videowalls.
Kurzfristig konnten noch zwei Gastspiele hinzu gewonnen werden: Mette Ingvartsen und Alessandro Sciarroni. Beide Produktionen sind Österreich Premieren, dabei wird der Innenhof der Dietrichsruh zum Schauplatz der beiden Tanzstücke. Der Italiener Alessandro Sciarroni beschäftigt sich in seinem Stück “Don’t be frightened of turning the page” mit dem Konzept der Umkehr. Der englische Begriff “turning” wird auf der Bühne sprichwörtlich interpretiert. Aus dieser Bewegung entwickelt sich eine emotionale seelisch-psychische Reise, ein andauernder Tanz.
Die Choreographin und Tänzerin Mette Ingvartsen und der Drummer Will Guthrie stehen in ihrem Schlagzeug-Tanz-Duett zum ersten Mal gemeinsam live auf der Bühne. Aus der “Zusammenkunft” der zwei künstlerischen Disziplinen entsteht eine Verschmelzung der Formen: eine Fusion von Konzert und Tanz. In All Around sitzt das Publikum rund um die Bühne, den sich die beiden mit dem Schlagzeug und einem sich ständig bewegenden Licht teilen. Mit minimalem und repetitivem Vokabular, Drehungen und Wendungen erschaffen sie eine von Rhythmus und Geschwindigkeit dominierte Performance von ekstatischer, tranceähnlicher Intensität.
Sommerszene Salzburg
08. – 25.06.2021
www.szene-salzburg.at