BLITZBLANK! Vom Putzen – innen, außen, überall / Frauenmuseum Hittisau & Lechmuseum, Vorarlberg

Niederkunft der Madonna im kruden Alltag einer Hausfrau: VALIE EXPORT interpretiert Michelangelos „Pietà“ 1974 schonungslos zeitgemäß © VALIE EXPORT
Niederkunft der Madonna im kruden Alltag einer Hausfrau: VALIE EXPORT interpretiert Michelangelos „Pietà“ 1974 schonungslos zeitgemäß © VALIE EXPORT

01.07.2023 – 27.10.2024

Supersaubere Familienverhältnisse – Eine Ausstellung im Frauenmuseum Hittisau und im Lechmuseum kehrt in den dunklen Ecken überkommener Geschlechterrollen 


Warum genießen jene, die Müll produzieren, ein höheres Ansehen als jene, die ihn beseitigen?

„Weil Geld die Welt regiert“, lautet die lakonische Antwort von Stefania Pitscheider Soraperra, Direktorin des Frauenmuseum Hittisau und Kuratorin der Ausstellung. „Je reicher wir sind, je mehr wir konsumieren, desto mehr Müll produzieren wir. Doch die Beseitigung des Schmutzes wird an Menschen delegiert, die in den Hierarchien weiter unten stehen, wie etwa Frauen und Migrant:innen.“

SO SCHÖN – SO REIN – SO ORDENTLICH – SO ZIVILISIERT – SO SICHER – SO UNSICHTBAR.

Unter diesen Aspekten widmet sich die Ausstellung „BLITZBLANK! Vom Putzen – innen, außen, überall“ im Frauenmuseum Hittisau & Lechmuseum dem Schmutz und jenen Menschen, die ihn beseitigen und den Rollenbildern, die damit einhergehen. Die Ausstellung geht unterschiedlichen Aspekte der Reinigung und der Reinheit nach und erörtert Themen aus Religion und Spiritualität, Ökologie und Nachhaltigkeit, Ökonomie und Migration. 

Putzen ist harte, unterbezahlte und oft auch unbezahlte Arbeit, bei der Rollenbilder und Machtverhältnisse sichtbar werden. Wie ein Großteil der Care-Arbeit wird auch die Haushaltsreinigung immer noch von Frauen erledigt. „Dabei stellt unbezahlte Arbeit eine der Säulen des Wirtschaftssystems dar“, erzählt Stefania Pitscheider Soraperra, „der Internationale Währungsfonds schätzt den Beitrag der unbezahlten Arbeit in Österreich zum Bruttoinlandsprodukt auf 29%.“

Spätestens seit der feministischen Avantgarde der 1970er Jahre setzen sich zahlreiche Künstler:innen mit Rollenbildern und Rollenzuschreibungen auseinander, wie Christine Lederer, die mit ihrem kritischen und politischen Blick auf Aspekte des weiblichen Alltags letztlich gesellschaftliche Ordnungs- und Machtstrukturen entlarvt. In Ihren Werken setzt sie Materialien und Techniken ein, die der vermeintlich weiblichen Domäne des Hauses entnommen sind.

Paul Hazelton schafft Figuren aus Hausstaub. Die Faszination des britischen Künstlers für Staub entstand in seinem reinlichen Elternhaus, wo selbst der Staub seines Bleistiftes schnell beseitigt wurde. Diese verbotenen Partikel sollten später seine künstlerische Vorgehensweise bestimmen. Schmutz ist relativ und stellt eine von Menschen definierte Kategorie dar, meint Ausstellungskuratorin Lisa Noggler-Gürtler: „Ein Blatt am Baum – Natur, ein Blatt am häuslichen Fußboden – Schmutz.“ Schmutz, der beseitigt werden muss.

Es gibt auf dem globalen Markt 55.000 verschiedene Putzmittel. Noch nie war die Welt so sauber und keimfrei. Sauberkeit ist ein Kernbestandteil unsere Kultur, hat aber ihren Preis: die Belastung des Grundwassers, die Versauerung der Böden und Gefährdung der Gesundheit. Das Projekt „In Your Face“ des Berliner Kollektivs Ocean. Now! und der Künstlerin Swaantje Güntzel zeigt 56 Portraits, die Mikroplastikteilchen im Gesicht tragen – symbolisch in Form einer „Schönheitsmaske“.

Ein Museum beobachtet, stellt Beziehungen her, schafft Dialogräume. Die Kunst zaubert, bohrt nach, irritiert. Aber beide blicken in die dunklen Ecken, die dringen ausgekehrt werden müssen.

BLITZBLANK! Vom Putzen – innen, außen, überall
01.07.2023 – 27.10.2024
Frauenmuseum Hittisau & Lechmuseum
www.frauenmuseum.at
www.lechmuseum.at